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Ellenbogenschmerzen: Ursachen, Pathophysiologie und evidenzbasierte Behandlung durch Chiropraktik und Osteopathie

  • Autorenbild: Sven Gaertner
    Sven Gaertner
  • 30. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Einleitung


Ellenbogenschmerzen zählen zu den häufigsten muskuloskelettalen Beschwerden in der hausärztlichen Versorgung mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 4–7 Fällen pro 1.000 Personen. Bei der lateralen Epicondylitis („Tennisarm“) schwankte die Inzidenz in einer Langzeitstudie zwischen 4,5 % im Jahr 2000 und 2,4 % im Jahr 2012, was auf einen anhaltend hohen Gesundheitsbedarf hinweist. Unter Sportlern, etwa Baseballspielern, liegt die Prävalenz von Ellenbogenschmerzen sogar zwischen 12 % und 58 %. Die direkten medizinischen Kosten verteilen sich zu 32 % auf Diagnostik, 23 % auf Physiotherapie und 20 % auf operative Eingriffe – ein Hinweis auf das wirtschaftliche Gewicht dieser Erkrankung. Obwohl physiotherapeutische und pharmakologische Maßnahmen etabliert sind, zeigt eine Cochrane-Analyse, dass manuelle Therapien wie Mobilisation und Manipulation Schmerzen und Behinderungen zwar nur geringfügig, aber statistisch signifikant reduzieren können. Insbesondere chiropraktische Gelenkmanipulationen (HVLA) und osteopathische Techniken (z. B. Muscle Energy Technique, Myofascial Release) gewinnen aufgrund ihrer nicht-invasiven Natur und guten Sicherheitsprofile an Aufmerksamkeit. Gelenkmobilisationen zeigen zudem positive Effekte auf Schmerzreduktion und Griffkraftfunktion über verschiedene Zeiträume hinweg. Vor diesem Hintergrund beleuchtet dieser Beitrag die Ätiologie von Ellenbogenschmerzen, ihre Pathophysiologie sowie die evidenzbasierte Wirksamkeit von Chiropraktik und Osteopathie als spezialisierte manuelle Behandlungsansätze.


Verspannungen

In diesem Beitrag erfahren Sie:




1) Anatomie und Pathophysiologie des Ellenbogens


1.1) Gelenkstrukturen und Biomechanik


Der Ellenbogen besteht aus Humerus, Ulna und Radius und bildet zwei Teilgelenke (Humeroulnar- und Humeroradialgelenk), die Flexion/Extension sowie Pronation/Supination ermöglichen. Die Stabilität wird durch Kapsel-Band-Apparat und muskuläre Führung gewährleistet.


1.2) Tendinopathien und Epicondylalgia


Die laterale Epicondylitis („Tennisarm“) entsteht durch Überlastung der Extensoren am lateralen Epicondylus, mit Mikrotraumen und degenerativen Veränderungen im Sehnenansatz  . Histologisch finden sich Angiofibroplastien und reduzierte Kollagenqualität, nicht primär Entzündung. Mediale Beschwerden („Golferarm“) betreffen die Flexoren analog.



2) Ursachen und Risikofaktoren


2.1) Mechanische Überlastung


Wiederholte, kraftvolle Handgelenksbewegungen (z. B. Handwerk, Tennis) erhöhen die Inzidenz von Epicondylopathien. Auch Fehlstellungen im Schulter- und Handgelenk können zu kompensatorischer Mehrbelastung am Ellenbogen führen.


2.2) Muskeldysbalancen und myofasziale Dysfunktionen


Myofasziale Triggerpunkte in den Unterarmmuskeln können referierte Schmerzen im Ellenbogen auslösen. Faszienrestriktionen vermindern Gleitfähigkeit und belasten Sehnenansätze chronisch.


2.3) Gelenkspielstörungen (Somatic Dysfunction)


Einschränkungen im Gelenkspiel (z. B. Humeroradial-Gelenk) führen zu irritativen Scherkräften im Sehnenansatz. Solche somatischen Dysfunktionen sind ein Schwerpunkt osteopathischer Diagnostik.



3) Diagnostik


Anamnese: Schmerzlokalisation, auslösende Tätigkeiten, chronischer Verlauf.


Klinische Tests: Mill’s Test, Cozen’s Test für laterale Epicondylitis; Pronations- und Supinationstest für Gelenkspiel.


Palpation: Druckschmerz am Epicondylus, myofasziale Triggerpunkte.


Beweglichkeitsprüfung: Funktionsprüfung HWS/WS, Schulter und Handgelenk, da Kettenreaktionen möglich sind.



4) Chiropraktik bei Ellenbogenschmerzen


4.1) Wirkprinzipien


Chiropraktische Therapie zielt auf Wiederherstellung physiologischer Gelenkbewegungen durch Hochgeschwindigkeits‐, Niedrigamplituden-Manipulation (HVLA) und Weichteiltechniken. Dies reduziert mechanische Reize am Sehnenansatz und verbessert neuromuskuläre Kontrolle.


4.2) Spezifische Techniken


Gelenkmanipulation Humeroradial: HVLA zur Verbesserung des Gelenkspiels, kurzfristige Schmerzreduktion belegt in RCTs.


Active Release Technique (ART): Kombination aus gezieltem Druck und aktiver Muskeldehnung zur Auflösung von Faszienadhärenzen.


Multimodaler Ansatz: Integration von Mobilisation, ART und Weichteiltechniken in einer Fallserie bei medialen Ellenbogenverletzungen zeigte Verbesserungen bei Athleten.


4.3) Evidenzlage


Eine systematische Übersicht fand moderate Evidenz für manipulative Therapie bei lateraler Epicondylalgia, mit signifikantem Schmerz- und Funktionsgewinn im Vergleich zu Placebo oder Rückenschule. Einzelne Fallberichte belegen klinische Erfolge ohne Nebenwirkungen.



5) Osteopathie bei Ellenbogenschmerzen


5.1) Grundsätze und Diagnostik


Osteopathie betrachtet den Körper als Einheit von Struktur und Funktion, nutzt manuelle Diagnostik zur Erkennung somatischer Dysfunktionen (Gelenk, Faszie, Organbezug).


5.2) Zentrale Techniken


Muscle Energy Technique (MET): Patient aktiviert Muskeln gegen Widerstand, um Gelenkspiel zu normalisieren und musculäre Balance wiederherzustellen.


Myofascial Release (MFR): Langsamer, kontinuierlicher Druck auf Faszienrestriktionen; RCTs zeigen Schmerz- und Funktionsverbesserung bei Tendinopathien.


Counterstrain: Positionierung in schmerzfreiem Bereich zur Entspannung von Triggerpunkten; reduziert nervale Irritation.


5.3) Evidenzlage


Eine Karger-Studie zeigte erfolgreiche Behandlung chronischer Epicondylopathia humeri radialis mit osteopathischem Ansatz, ohne signifikanten Unterschied zur orthopädischen Standardtherapie. Systematische Reviews empfehlen OMT als sichere, nicht-invasive Option mit positiver Tendenz für Schmerzreduktion.



6) Vergleich und Synergien von Chiropraktik und Osteopathie


Aspekt Chiropraktik Osteopathie

Gelenktechniken HVLA, Mobilisation MET, HVLA, Counterstrain

Weichteiltechniken ART, Weichteilmobilisation MFR, Counterstrain

Diagnostik Fokus Gelenkspiel, Segmentanalyse Ganzheitliche somatische Dysfunktion

Evidenz moderate RCTs bei Epicondylitis  Karger-Studie, systematische Reviews   


Beide Ansätze ergänzen sich: Chiropraktische Manipulation mobilisiert akute Gelenkblockaden, osteopathische Techniken adressieren myofasziale und funktionelle Dysbalancen.



7) Fallbeispiel


Patientin, 45 Jahre, laterale Epicondylitis seit 3 Monaten


1. Anamnese/Untersuchung: Schmerz bei resisted wrist extension (Cozen’s Test positive).


2. Chiropraktische Intervention: HVLA Humeroradial, ART für Extensorengruppe, 2 Sitzungen/ Woche.


3. Osteopathische Intervention: MET für Unterarmmuskulatur, MFR an Fascia antebrachii, 1 Sitzung/Woche.


4. Verlauf: Nach 4 Wochen Schmerzreduktion von VAS 7 auf VAS 2, vollständige Funktion nach 8 Wochen.



8) Empfehlungen für die Praxis


Interdisziplinäre Abklärung: Ausschluss ernsthafter Pathologien (z. B. radikulär, rheumatisch).


Individuelle Befundorientierung: Segmentanalyse und myofasziale Untersuchung.


Kombinierter Therapieplan: Integration von HVLA, MET und MFR über 6–8 Wochen.


Home-Exercise: Dehn- und Mobilisationsübungen zur Aufrechterhaltung der Mobilität.



9) Fazit


Ellenbogenschmerzen wie laterale Epicondylitis sind multifaktoriell bedingt. Chiropraktik und Osteopathie bieten evidenzbasierte, manuelle Behandlungsansätze, die Schmerz reduzieren und Funktion verbessern können, ohne pharmakologische oder invasive Maßnahmen. Die Synergie beider Methoden – Gelenkmanipulation, Muskel-Energie-Techniken und myofasziale Release – ermöglicht eine ganzheitliche Therapie. Weitere hochwertige RCTs speziell zur Ellenbogenregion sind wünschenswert, doch aktuelle PubMed-Studien belegen bereits die Wirksamkeit und Sicherheit dieser manuellen Verfahren.



10) Zusammenfassung


Ellenbogenschmerzen sind ein häufiges Leiden, das sowohl Sportler als auch Berufstätige betrifft und die Lebensqualität erheblich einschränken kann. Die Pathophysiologie reicht von Tendinopathien (z. B. laterale Epicondylitis) über Gelenkdysfunktionen bis zu myofaszialen Dysbalancen. Konventionelle medizinische und physiotherapeutische Ansätze sind gut etabliert, doch gewinnen manuelle Verfahren wie Chiropraktik und Osteopathie zunehmend an Evidenz. Studien zeigen, dass chiropraktische Manipulationen und osteopathische Techniken (z. B. Muskel-Energie-Technik, myofasziale Release) Schmerzen reduzieren und die Funktion verbessern können, ohne Nebenwirkungen invasiver Therapien. In diesem Beitrag werden Ursachen und Mechanismen von Ellenbogenschmerzen dargestellt, anschließend werden gezielt die Wirkprinzipien und Techniken von Chiropraktik (Chiropraktiker) und Osteopathie (Osteopath) erläutert und durch PubMed-Studien abgesichert. Abschließend folgen praktische Fallbeispiele und Empfehlungen für die klinische Anwendung.

 
 
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